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Events zur Vernissage am 10.10.2008:
Inline Online, Performance von
Manfred Kirschner
Barock-Arien, gesungen von Vera
Schrankl
Systemic Collision, Videoinstallation von Julian Ronnefeldt
Event zur Finissage am 25.10.2008:
Systemic Collision, Videoinstallation
von Julian Ronnefeldt
post barroco
Aus dem portugiesische Wort barroco (übersetzt unregelmäßige
Perle), leitet sich der Name der Stilepoche des 17.
und 18. Jahrhunderts ab, die maßgeblich die Repräsentation
von Macht perfektionierte, die, verhaftet in der Dualität
zwischen Lebenslust und Todesangst, Weltbejahung und verneinung,
ein Feuerwerk an Glanz und Glamour aufbot, das sich an die
Schrecken eines 30jährigen chaotischen wie wohl sinnlosen
Gemetzels anschloss, und sich vornehmlich in den Dienst des
Absolutismus und der Gegenreformation fügte.
Die künstlerische Geste, Materie in bewegte, doch sinnlich-leibliche
lichte Formen aufzulösen bearbeitet Reflexionen über
die Vergänglichkeit, die Grenzen zwischen leiblicher
und geistiger Existenz. Die Kunst des Barock zeugt außerdem
von der Suche nach Sinnstiftung durch starke Religiosität
sowie durch exzessive Sinnenfreude. Der Dualismus von Licht-
und Schattenreich, von rauschhafter Lebendigkeit und düsterer
Todesnähe, weist auf die ständige Hinterfragung
der Grenzen des Lebens und die Orientierungslosigkeit in sozialen
Strukturen, die parallel zueinander existieren.
Illusionistische Malerei, Trompe-loeil-Rafinessen schaffen
eine bewusst künstliche Welt, die die Wirklichkeit gleichzeitig
klammert und in sich aufzunehmen strebt, eine tröstende
Prunk- und Abenteuerwelt, neben der das wirkliche
Leben an Bedeutung zu verlieren scheint.
Zwar hat sich seit der Zeit des Barock die aristokratisch-klerikale
Macht des Kapitals verlagert, und die Kunst-Griffe dienen
daher andern Zwecken, aber es sind Parallelen zu erkennen.
Die Grätsche extremer sozialer Ungleichheiten hat sich
zunehmend globalisiert. Die Traumatisierung eines Krieges
vollzieht sich heute medial abstrahiert. Künstliche Zweitwelten
digitaler Art aktualisieren den Begriff des Theatrum Mundi,
des Welttheaters, mit einem ähnlichen Erfolg der
vernachlässigten Bedeutung des wirklichen
Lebens. Und Orientierungslosigkeit in ethischen oder religiösen
Fragen äußert sich z. B. im offenbar wieder zunehmenden
Bedürfnis an Religiosität, in radikalisierten Glaubensrichtungen,
kult-ivierten Gewaltexzessen oder sexuellen Grenzerkundungen.
die Position der ungleichmäßigen
Perle
Der Standort Alte Post Neukölln gibt sich in diesem Zusammenhang
als Schmuckstück und Kostbarkeit von unregelmäßiger,
merkwürdiger Schönheit zu erkennen. Die Position,
etymologisch mit Post verwandt, der Kunst liegt zwischen Schönheit,
da sie Ansehen und Rang ziert, ein Statussymbol, ein Marktwert
ist, und Unregelmäßigkeit, da sie notwendigerweise
im Paradox der schmückenden Subversivität verhaftet
bleiben muss. Die Irritation der Unregelmäßigkeit
wurzelt im reflektierenden Anspruch der Künstler und
der Betrachter. Kunst soll einerseits repräsentieren,
andererseits aber doch anregen und Fragen stellen, die nicht
bequem sein müssen.
post barroco thematisiert den Zusammenhang von Kunst und Machtdemonstration,
die subtilen Grenzen zwischen Repräsentanz und Subversivität.
Dabei geht es um Grenzen des Gewissens und der Identität
sowohl als um mögliche Grenzen zwischen Leben und Tod,
zwischen Körper und Geist allerdings global gewendet,
denn wir sind ja bereits post barroco.
Text: Antje Gerhardt
Ein Projekt im Rahmen der [Aktion! Karl-Marx-Straße].
Die temporäre Wiedereröffnung der Alten Post mit
kulturellen Nutzungen - initiiert vom Bezirksamt Neukölln
und tatkräftig unterstützt vom Eigentümer,
der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und dem Kulturnetzwerk
Neukölln - ist das erste Leuchtturmprojekt der [Aktion!
Karl-Marx-Straße]. Vielfältige weitere Maßnahmen
folgen, denn die Karl-Marx-Straße befindet sich im Aufbruch:
Nachdem ihre Funktionsfähigkeit als Neuköllner Bezirkszentrum
durch die Strukturveränderungen im Einzelhandel und die
Konkurrenz der Einkaufszentren nicht nur am Stadtrand beeinträchtigt
wurde, wird nun ihre Revitalisierung mit vereinten Kräften
forciert. Auf Grundlage des Leitbildes "jung, bunt, erfolgreich
- handeln, begegnen, erleben" ist daher das Herzstück
des Erneuerungsprozesses die Gründung der Initiative
[Aktion! Karl-Marx-Straße], in der Eigentümer,
Händler und Gewerbetreibende, Anwohner, Initiativen und
Vereine, Künstler und Kulturschaffende, Politik und Verwaltung
gemeinsam die Zukunft des Berliner Geschäfts-, Verwaltungs-
und Kulturzentrums gestalten. Schlafen ist sinnlos, wie Besucher
der Alten Post im Gästebuch vermerken.
Weitere Informationen:
www.Aktion-KarlMarxStrasse.de.
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