LUFT UND LIEBE (dem Himmel auf der Spur) - Hintergründe

„(...)Das physikalische Licht ist hiernach nur eine Reflexion des wahren Lichts, Yusuf Ali stellt fest: „Das vollkommene Licht Allahs ist frei von allen solchen Mängeln.“. Das innerste Wesen des Muhameds wird als das Licht Gottes bezeichnet. Dieses Licht wurde immer wieder gevierteilt, das vierte jeweils wieder in vier Teile. Durch die Teilung des Lichts entstanden die Dinge der Welt.(...)“
G. Gerhardt (3)


Der Aufbau gliederte sich in die Teile: Seelenkonstrukt I, Gefiederschleuse und Seelenkonstrukt II.

Diese Einteilung steht modellhaft für Definitionsstadien von Körper (Materie) und Geist (Seele) und weist den Probanden (Besuchern) den Weg. Beim Wandeln vom Seelenkonstrukt I (dualistisches Modell) durch die platonistische Gefiederschleuse zum Seelenkonstrukt II vollzieht sich der Wandel zu einem ­ganzheitlichen (Welt-)Modell.

Besonders die Erkenntnisse über Licht und Energie seit dem letzten Jahrhundert haben eine Neudefinition unseres Weltbildes eingeleitet.
Kunst verfügt über die einzigartige Fähigkeit, solche Strömungen leichtfüßig zu bündeln und kreativ eigenmächtig zu gebrauchen und zu kommunizieren. In künstlerischer Reflexion hingegen liegt ein ­stimulierendes Potential für ­Interdisziplinarität.

Dies war die Basis von Luft und Liebe. Kunst & Energie und Licht & Liebe wurden als Parallelen in einer Gesamtinstallation entworfen. Die präsentierten Arbeiten wurden unter diesem Aspekt geschaffen oder ausgewählt und neu inszeniert. Ein Kompass wurde erarbeitet, mit dem man auf subjektiv-genauen Kurs gehen konnte. Konkrete Bezüge ließen sich assoziativ herstellen – Winkelzüge, Durchzüge, Umzüge und Umwege inklusive. Für diese Aufgabe wurden die Versuchspersonen dem Himmel auf die Spur geschickt. Ihr Erfolg blieb subjektiv zu bewerten.

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„Die griechischen Naturphilosophen hielten Luft für eines der vier Grundelemente, aus denen alles Sein besteht. Der älteste nachweisbare Vertreter war Anaximens von Milet (6. Jh. v. Chr.). Ausgehend von der antiken Vorstellung, dass der Atem der Geist der Seele sei, hielt er die Luft für das Grundelement der Erde. All die anderen Elemente seien aus verdichteter oder verdünnter Luft entstanden.(...)“
A. Ardeschirpur (2)

 

 

Seelenkonstrukt I
Hier fanden sich Anschauungsobjekte für die traditionelle Seele, die körperlos verschiedenen Religionen angehörte.

Vergänglichkeitssymbolik und Todessehnsucht kommentierten sich in nostalgischer Verklärung. Protagonistenseelen gingen modellhaft (Seelen-)Verwandtschaften mit Liebhabern ein. Volksseelen wisperten im säuselnden Samowar. Käufliche Seelen warteten bescheiden verschämt auf ihre Stunde.

War das Fleisch fern, so war die Luft klar. Gut und Böse waren deutlich gekennzeichnet. Material bestand aus Materie und der Rest aus Glaubensfragen, einige Besonderheiten – wie das Blut oder die Zeugung Christi – ausgenommen.

Denn nachdem sich Gottessöhne in Menschentöchter verliebt und die Riesen der Vorzeit gezeugt hatten, hatten die wilden Wasser die Seele rein vom Leib gewaschen. Noahs Erben traten in den Ring gegen die eigenen Substanzen, um diese Reinheit zu bewahren.

Das Unreine sollte später dem Feuer geweiht werden – Sinnbild von Geist und Leidenschaft...

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„Auf diesen Gegensatz des Lichts und der Finsternis bauen sich dualistische Religionen auf. Licht wird mit gut, Glanz, Glorie, während Finsternis mit böse, undurchdringlich, bedrohlich in Verbindung gebracht wird. (...) Den verschiedenen Richtungen ist die Auslegung gemeinsam, dass das „Lichtreich“ durch einen Sündenfall zerstört wurde. Statt dessen entstand die Welt und in jeder Menschenseele blieb ein Lichtfunken. (...)“
G. Gerhardt (3)

„Die Duftstoffmoleküle werden von verschiedenen Gasmolekülen, die als Träger genutzt werden, durch die Luft transportiert, die wiederum stark von der Bewegung der Gase, der Temperatur- und Molekülgröße abhängig ist. Bei Wärme ist die Geruchsempfindung eine andere als bei Kälte.“
A. Ardeschirpur (2)

 

Gefiederschleuse
Die Begegnung mit dem Heiligen ließ in Platons Phaidros Seelengefieder sprießen. Die Überwindung von Leibesgelüsten bei der Schau des Schönen ermöglichte den seelengefiederten Flug in die überhimmlische Liebe – eine Rückkehr in die platonische Seelenheimat.

Die Gefiederschleuse führte durch eine Projektion dieses Überhimmels von Harmonie und Perfektion hindurch. Die Schau des Schönen sei zeitlich unendlich kurz und räumlich ein Punkt. Sie sei nie vollständig. Sie sei Reinigung und Motivation. Sie sei Sehnsucht nach Erkenntnis. Sie sei eine Liebeserklärung an das Leben.

Doch bei aller Begrenztheit des Durchschreiten blieben etliche Federn an den Kleidern der Passanten hängen und verteilten sich in den Seelenkonstruktionen. Die sinnliche Erfahrung des Pseudo-Immateriellen schloss einen paradoxen Kreis und verließ beim Austritt aus der Schleuse die dualistischen Dimension von Leib und Seele.

Unsere Sinne gaben der Einheit unseres Subjekts aus Materie und Bewusstsein eine sinnvolle Identität. Und dazu sang die Nachtigall.

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„„Glück sei im Schöpfungsplan nicht vorgesehen, stellte schon Sigmund Freud fest. Ein Gefühl der Symbiose, ein kurzer Moment des ungetrübten Glücks, liegt in der Umarmung. Laut Psychoanalyse wurzelt er in der pränatalen Einheit von Mutter und Kind. Zu einer dauerhaft glücklichen Beziehung gehört jedoch ein bestimmtes Maß an negativen Empfindungen wie Eifersucht, Angst, Zorn oder Traurigkeit, wie das Salz in einer sonst faden Harmoniesuppe. (...)“
C. Brasch (1)

 

„Im Christentum interpretiert der Evangelist Johannes das Licht am „Anfang“ als das Wort (Logos):
„In ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen.“
Licht macht sowohl zur äußeren Welt, wie zur inneren Erleuchtung eine Aussage über: Leben, Glück,Hoffnung, himmlische Wahrheit, Wärme, Weisheit.In der christlichen Lichtsymbolik machen Sonne, Mond, Stern, Fackel und am eindeutigsten die Mandorla oder der Nimbus Aussagen über die Einstufung des Dargestellten (...).“
G. Gerhardt (3)

 

Seelenkonstrukt II
Wir klopften ein paar Federn von den Schultern und befanden uns im Saal der Übergänge. Materie wurde zu Energie, Energie zu Licht, Licht zu Liebe, Liebe zu Materie. Stand man auf dem zentralen Punkt des Gestirns, konnte man beobachten, wie unser Subjekt von Orbitalen unserer Wahrnehmungssubstanzen umkreist wurde.

Am äußersten Ring schloss man sich manchmal offensichtlich einem anderen Gestirn an; dies geschah aus dem naturgegebenen Bestreben nach Harmonie. Doch an eine Kernfusion war nicht zu denken: unsere Masse setzte eindeutige Grenzen. Starke Gewitter konnten allerdings auch diese Verbindungen elektrolytisch lösen.

Darüber hinaus waren wir einem ständigem Ansturm von Photonen ausgesetzt, die ihren Ursprung außerhalb der Orbitale haben mussten und unsere Sinne enorm elektrisierten. Ein ständiges Springen von Wahrnehmungen war die Folge. Unerwartete Eindrücke lösten einige Elektronen von ihren Heimatbahnen und erzeugten Sehnsucht.

Später zerfielen unsere Leiber. Wir wurden zu Punkten jenseits unseres Erlebnishorizonts. Wir verloren unser Bewusstsein in der Spiegelung des Fluchtpunkts und erwachten erst wieder mit der Explosion einer neuen Galaxie. Sechsfach geflügelte Lichtwesen streuten gute Hoffnungen in die Finsternis.

Im Museum für Verkehr und Technik soll man schon heute den Knall anhören können – das Geräusch von Luft und Liebe.

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„Im 19 Jahrhundert fanden Chemiker heraus, dass Luft ein Gemisch aus Gasen ist und hauptsächlich aus Stickstoff und Sauerstoff besteht. Sauerstoff ist (...) ein Produkt lebender Pflanzen. Er war in der ursprünglichen Atmosphäre nicht vorhanden. Das Leben auf der Erde konnte sich nur entwickeln, weil es keinen freien Sauerstoff gab, der die ersten, ungeschützten lebenden Moleküle oxidiert und damit zerstört hätte. Es dauerte Milliarden von Jahren, bis sich der gegenwärtige Sauerstoffgehalt der Atmosphäre aufgebaut hatte. (...)“
A. Ardeschirpur (2)

 

 

Kompaß m.
[...] Im 15. Jh. entlehnt aus it. compasso ‘Zirkel, Magnetnadel’, einer Ableitung von it. compassare ‘rundherum abschreiten’, zu 1. passus ‘Schritt’ [...]. So bezeichnet nach der beweglichen Nadel, bzw. Scheibe, die sich entsprechend der Himmelsrichtung ausrichtet.
Etymologisch verwandt: s. passieren. [...]“

(aus: Friedrich Kluge. Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Berlin, New York. 1989)

Die bewegliche Scheibe richtete sich in diesem Fall entsprechend der neuronalen Impulse der Benutzer aus:
Süden ist da, wo es mir gefällt. Im Osten weht ein scharfer Wind. Im Norden ist sie nie zu seh‘n. Wo der Westwind weht, willst du mein YYY werden. Doch der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen.

Wir passieren:

Würde man Liebe und Licht und würde man Kunst und Energie gleichsetzen, dann könnte gelten: Kunst = Masse • Liebesgeschwindigkeit². (Gerhardt. S. 10)

A Fotografische Aufnahme eines Mädchengesichtes und B die zweidimensionale Aufzeichnung der Augenbewegungen beim kurzzeitigen, aufmerksamen Betrachten der Fotografie. (Birbaumer/Schmidt. S. 47)

Wir können die Gegenwart in allen Bestimmungsstücken prinzipiell nicht kennenlernen. Deshalb ist alles Wahrnehmen eine Auswahl aus einer Fülle von Möglichkeiten und eine Beschränkung des zukünftigen Möglichen. (Heisenberg. S. 53)

Atmen, du unsichtbares Gedicht! Immerfort um das eigne Sein rein eingetauschter Weltraum. Gegengewicht, in dem ich mich rhythmisch ereigne. (Rilke. S. 98,99)

Gut gelaunte Menschen produzieren öfter richtige Intuitionen und sind offener für ungewöhnliche Assoziationen. (Goschke. S. 126)

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Text: Antje Gerhardt 2006



Auf der Eröffnung wurden 3 Einführungsstatements gehalten, die hier zitiert werden:
1) Christa Brasch: „Harmonie psychotherapeutisch“
2) Dr. Anahita Ardeschirpur: „Luft naturwissenschaftlich“
3) Gudrun Gerhardt: „Licht religionswissenschaftlich“